Matter: Ein einheitlicher Standard für ein einfacheres Smart Home

Im Jahr 2019 hat Matter Einzug in die Smart-Home-Welt gehalten. Es wird beschrieben als ein Protokoll zur Vereinfachung der Automatisierung zwischen vernetzten Objekten, allerdings gibt es noch viele offene Fragen rund um das Matter-Projekt. Wie funktioniert Matter? Welche Bedürfnisse erfüllt es? Was für Veränderungen und Vorteile für das Smart Home wird es bringen? Und welche News gibt es aktuell im Bereich Matter und Smart Home? In diesem Artikel, der gemeinsam mit dem Experten Benoît Bourdon, Senior Product Manager bei Netatmo, verfasst wurde, finden Sie die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Welches Problem versucht Matter zu lösen?

Die Fülle der durch die verschiedenen Hersteller und Unternehmen eingeführten Technologien für smarte Technik

Das Smart Home und die Welt der vernetzten Objekte sind noch relativ jung, aber bereits umfangreich, komplex und recht heterogen in Bezug auf die verwendeten Technologien. Da es keinen definierten Standard gibt, hat sich jeder Hersteller auf seine Kompetenzen, die Technologien, die seinen Teams zur Verfügung stehen, und seine eigenen Entscheidungen gestützt, um sein Sortiment vernetzter Produkte und seine eigene App zu entwickeln. So haben sich im Laufe der Jahre in der Welt des IoT (Internet of Things) zahlreiche Kommunikationstechnologien herausgebildet: Z-Wave, IO, Bluetooth, WLAN, ZigBee, Thread, LoRaWan, usw.  

Jede dieser Technologien hat ihre Vor- und Nachteile, ihre Anhänger und ihre Kritiker, aber sie alle sind Antworten auf vielfältige und spezifische technologische Herausforderungen: 

  • Batteriebetriebene Produkte erfordern sehr energiesparende Kommunikationstechnologien, um die Lebensdauer der Batterien zu schonen.
  • Einige Produkttypen können mit dem Austausch sehr geringer Datenmengen auskommen (z. B. benötigt das Einschalten eines Lichts nur wenige Informationen), während andere große Datenmengen benötigen (ein offensichtliches Beispiel sind Videostreams).
  • Einige Produkte sind unabhängig, während andere Teil eines Netzwerks vernetzter Objekte sein müssen. Eine Kamera kann z. B. allein funktionieren, während ein Schalter in der Regel Teil eines Systems ist, das weitere Geräte bzw. Produkte umfasst. 
  • Auch die Reichweite, sei es im Vergleich zu einem Internetzugangspunkt oder anderen Geräten, wirkt sich auf die Wahl der Technologie aus:
  • Manche Technologien eignen sich sehr gut für recht große Reichweiten, verbrauchen aber mehr Energie.
  • Andere sind bei geringen Entfernungen sehr effektiv, müssen aber durch andere Produkte verstärkt werden, um eine optimale Abdeckung zu gewährleisten.
  • Schließlich ist natürlich auch der Preis für die Herstellung der Geräte ein wichtiges Kriterium. Es ist unmöglich, Produkte herzustellen, die alle Auflagen zu einem angemessenen Preis erfüllen. 

Die Nutzer sehen sich daher einem vielfältigen und komplexen, manchmal schwer verständlichen Angebot gegenüber, das zudem oft Geräte mit den verschiedenen Ökosystemen der Hersteller kombiniert werden müssen, die sich nicht zwangsweise gegenseitig unterstützen. Dann braucht ein Gerät wieder eine andere App, die sich von der App des nächsten Herstellers unterscheidet, und schon fragt man sich, ob smarte Technik wirklich nur Vorteile bietet. 

Sprachassistenten: Stark unabhängige Ökosysteme

Sprachassistenten und andere Controller ermöglichen es, vernetzte Produkte in einem Ökosystem zusammenzufassen, aber auch Interaktionen zwischen den Geräten zu ermöglichen. Allerdings hat jedes Ökosystem seine eigene Methode entwickelt, um sich mit den Smart-Home-Geräten der verschiedenen Hersteller und Unternehmen zu vernetzen:  

  • Einerseits verwendet Apple Homekit die HAP-Spezifikation, die lokal arbeitet und sich auf die Hardwareauswahl der Produkte auswirkt.
  • Andererseits arbeiten Google Home, Amazon Alexa, Philips Hue und Samsung SmartThings mit Cloud-to-Cloud-Interaktionen, die die Entwicklung von jeweils spezifischen APIs erfordern.
  • Andere Controller bieten lokale ZigBee-3.0-Integrationen an, die ZigBee-Produkte, Testphasen und manchmal teure Anpassungen erfordern.
  • Schließlich gibt es Controller, die häufig von Händlern geliefert werden, die diese verschiedenen Kommunikationsprotokolle nebeneinander verwenden, was manchmal auf Kosten der Einfachheit für den Endbenutzer geht.

Ein Hersteller, der mit all diesen Ökosystemen kompatibel sein möchte, muss daher jede Technologie intern beherrschen und für jedes neue Produkt und Update so viele Kompatibilitäten entwickeln, wie es Ökosysteme gibt. Dies bedeutet also einen erheblichen Mehraufwand an Zeit und Investitionen für ein Experiment, das den zukünftigen Herausforderungen für das Smart Home nicht immer gerecht werden kann.

Neue Nutzungsweisen

Angesichts der Herausforderungen der heutigen Welt entwickelt sich das Smart Home im Dienste der Nutzer weiter. Denn über den Aspekt eines „Gadgets“ hinaus, das z. B. Lampen steuert, werden sich die vernetzten Produkte ergänzen und miteinander interagieren, um unseren Alltag zu Hause zu vereinfachen und zu verbessern: 

  • Eine gute Steuerung der Fensterläden in Abhängigkeit von der Sonneneinstrahlung und der Innentemperatur wird im Sommer wie im Winter zu erheblichen Energieeinsparungen führen. 
  • Eine bessere Integration zwischen der Erkennung offener Fenster und der Steuerung der Heizkörper wird ebenfalls zu bedeutenden Einsparungen führen können.  
  • Wenn ein zu hoher CO2-Gehalt oder eine zu hohe Luftfeuchtigkeit festgestellt wird, wird automatisch ein Fenster geöffnet oder ein Ventilator gestartet, um die Luftqualität in den Räumen zu verbessern.

Leider ist es aufgrund der Fülle an Angeboten und Ökosystemen nicht einfach, von einem vernetzten Zuhause zu einem echten Smart Home überzugehen. Denn heutzutage ist es für einen Nutzer schwierig, sicherzustellen, dass sich ein neues Produkt problemlos mit den anderen vernetzten Gegenständen in seinem Haus integrieren lässt.

Eine Antwort auf diese technologische Vielfalt und Komplexität

Angesichts dieser Tatsache haben die Akteure im Bereich Smart Home beschlossen, sich in einer gemeinsamen Organisation zusammenzuschließen: der Connectivity Standard Alliance (CSA), deren Ziel es ist, einen Standard zu etablieren, der den Markt von all diesen Hemmnissen befreit, die Verbraucher unterstützt, ihnen Sicherheit gibt und ihr Leben erleichtert. Dieser CSA-Standard soll die Interaktion erleichtern, die Installation vereinfachen und ein hohes Maß an Sicherheit für zukünftige Produkte gewährleisten, während er gleichzeitig rückwärtskompatibel bleibt. Die Unternehmen, die Mitglieder der Connectivity Standard Alliance sind, unterstützen also gemeinsam eine zukunftsweisende Entwicklung ihrer Systeme.

Was ist MATTER?  

Um zu verdeutlichen, was Matter ist, ziehen wir eine Parallele zur Welt der Sprache und der menschlichen Kommunikation. 

Eine effektive Kommunikation stützt sich auf: 

  • Eine Sprache: ein gemeinsames Alphabet, Vokabular und eine Grammatik, die es uns ermöglichen, einander zu verstehen. So wird jeder, der eine Sprache beherrscht, die Botschaft verstehen, sofern sie den etablierten Regeln folgt.
  • Kommunikationskanäle, die diese Sprache vermitteln. Es ist z. B. möglich, sich mündlich, schriftlich, per E-Mail oder per SMS oder auch über ein Videokonferenzsystem auszutauschen...

Der Matter-Standard könnte als eine Sprache gesehen werden, die von vernetzten Objekten gesprochen wird.

So funktioniert Matter genau auf die gleiche Weise:  

  • Die Definition einer Sprache und Grammatik, die es verschiedenen Produkten ermöglicht, Befehle und Informationen untereinander auszutauschen, die alle auf die gleiche Weise geschrieben und gesichert sind: die sogenannte Anwendungsschicht. 
  • Die Definition von Kommunikationskanälen, die es ermöglichen, diese Sprache zu tragen: die Transportschicht. 

Darüber hinaus ist Matter so konzipiert, dass es bestehende Technologien mithilfe von „Bridges“ integrieren kann, die als „Übersetzer“ dienen, mit deren Hilfe die Matter-Sprache an eine Vielzahl anderer Sprachen weitergegeben wird, die andere Kommunikationskanäle nutzen können.  

Wie ermöglicht Matter vernetzten Produkten die Kommunikation bzw. Interaktion miteinander?

Um sich gegenseitig zu verstehen, müssen die Produkte zuvor zur Kommunikation zugelassen werden. Das Hinzufügen eines Produkts zu einem Matter-Netzwerk startet eine Reihe von Austauschvorgängen, die sicherstellen, dass das Produkt offiziell Matter-kompatibel ist und von einem zertifizierten Hersteller stammt. Außerdem ermöglicht dieser Austausch von Zertifikaten eine absolut sichere Kommunikation innerhalb eines Heimnetzwerks.

Es geht auch darum, die Informationen zu strukturieren, die zwischen den Produkten fließen. Die Formulierung des Standards besteht dann darin, die Produkttypen zu definieren und zu beschreiben, die innerhalb des Standards zu einem Zeitpunkt t für eine bestimmte Version verfügbar sind. 

Darüber hinaus müssen für alle Arten von Produkten folgende Punkte beschrieben werden:  

  • die erwarteten Merkmale und Attribute,
  • welche Arten von Aufträgen sie senden oder empfangen können,
  • und natürlich die von allen verstandenen technischen Formate der austauschbaren Informationen. 

Unter Verwendung der im Standard beschriebenen technischen Begriffe wird die Gesamtheit dieser Informationen als Cluster bezeichnet. Innerhalb dieser z. B. HVAC-Cluster oder Lighting-Cluster genannten Cluster werden Identifikatoren für die Klassifizierung definiert, die Features, Attributes, Commands, Events, Data Types und State Descriptions usw. 

Die Kommunikationskanäle

Diese gemeinsame Sprache, die von den Produkten ausgetauscht wird, ist in der Lage, sich über verschiedene Kommunikationskanäle zu verbreiten.

Da es keine Lösung gibt, die allen Bedürfnissen gerecht wird, setzt Matter auf 3 sich ergänzende Kommunikationskanäle: 

  • WLAN,
  • Ethernet,
  • Thread.

Diese drei Kanäle sind IP-basierte Protokolle. Das Konzept der IP-Adresse und die damit verbundenen Protokolle sind extrem weit verbreitet und für Softwareentwickler relativ gewöhnlich. 

Ein letzter Kommunikationskanal wird im Standard definiert, es handelt sich um Bluetooth Low Energy (oder BLE). Im Rahmen von Matter widmet er sich ausschließlich dem „Commissioning“, d. h. der Erstinstallation der Produkte oder Geräte.  

Das WLAN

Das WLAN ist allgemein bekannt, da es in allen Haushalten, die über einen Router verfügen, vorhanden und somit extrem weit verbreitet ist. 

Es handelt sich um ein drahtloses Netzwerk, das von allen Internetanbietern bereitgestellt wird, und dessen Verbindungsmethoden von allen Akteuren, von den Herstellern bis zu den Nutzern, beherrscht werden, sodass diese Wahl naheliegend erschien.

Dennoch hat WLAN einen nicht zu unterschätzenden Nachteil. Es kann recht energieintensiv sein und eignet sich nicht immer für batteriebetriebene Produkte. Außerdem kann die Reichweite von WLAN in recht großen Häusern manchmal nicht ausreichen. Um diesem Problem, das nicht nur vernetzte Objekte betrifft, zu begegnen, bieten Internetanbieter in der Regel Angebote zur Erweiterung der Netzabdeckung an.

Das Ethernet  

Ethernet ist ein Protokoll für drahtgebundene Kommunikation. Ähnlich wie WLAN ist es ein Kommunikationskanal, der in Privathaushalten weit verbreitet ist, da er für alle klassischen vernetzten Produkte wie Internetboxen, Fernseher oder einfach nur Computer zur Verfügung steht. 

Die höhere Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit im Vergleich zu drahtlosen Verbindungen ist ein attraktiver Vorteil für Produkte, die große Datenmengen übertragen, wie z. B. Überwachungskameras oder Fernseher.

Die Kabelverbindung bleibt jedoch eine kompliziertere Erfahrung für den Nutzer, der dann Kabel in seiner Wohnung verlegen muss.

Thread 

Wird seit 2015 verwendet und ist ein Mesh-Netzwerk mit niedriger Latenz und geringem Stromverbrauch. Dieses Protokoll eignet sich daher besonders gut als Ergänzung zum WLAN:  

  • Geringer Verbrauch: Er ermöglicht die Verwaltung batteriebetriebener Produkte, ohne die Lebensdauer ihrer Batterie zu sehr zu belasten.
  • Niedrige Latenz: Erlaubt einen schnellen Austausch zwischen Produkten.
  • Mesh: Jedes Produkt hat eine relativ geringe Reichweite, leitet jedoch das Signal an benachbarte Thread-Produkte weiter und verkettet so die Maschen eines Netzwerks, mit dem die maximale Reichweite erreicht werden kann.

Jede dieser Maschen wird als Knoten (Node) bezeichnet und man unterscheidet in einem Thread-Netzwerk 2 Arten von Knoten:  

  • Thread Nodes: Knoten, die über genügend Energie verfügen, um die empfangenen Signale zu wiederholen.
  • Thread End Devices: Knoten, die nicht in der Lage sind, Signale weiterzusenden, da sie batteriebetrieben sind und nicht über genügend Energie verfügen. 

Während Geräte innerhalb eines Thread-Netzwerks problemlos miteinander kommunizieren können, benötigen sie ein spezielles Produkt, den sogenannten Border Router, der als Übersetzer fungiert, um mit Produkten über WLAN oder Ethernet interagieren zu können. 

Schema Thread Blog

Der Begriff der Bridge 

Wie wir bereits erläutert haben, haben die Hersteller nicht auf Matter gewartet, um vernetzte Gegenstände zu entwerfen, und seit Jahren in verschiedene Technologien investiert, die ihre Bedürfnisse erfüllen. Diese Art von Investition ist ziemlich kostspielig: Kompetenzaufbau und Teamentwicklung, Kartendesign, Lagerbestand an Mikrochips usw. Jeder Hersteller verfügt über eine große Anzahl von Produkten, die bereits auf dem Markt sind, bereits installiert und bereits vernetzt sind. Es ist daher leicht verständlich, dass es für jeden Hersteller weder offensichtlich, noch einfach oder gar sinnvoll ist, sein gesamtes Angebot auf eine der von Matter angebotenen Transportschichten umzustellen. Um die Einführung des Standards und das Leben der Nutzer zu erleichtern, wurde daher der Begriff der Bridge geprägt, bei der es sich um einen Übersetzer handelt, der eine Brücke zwischen der Matter-Welt und der Welt der Hersteller schlägt. Mithilfe dieser Bridge können vorhandene Produkte nach einem Update mit dem Matter-Netzwerk interagieren.

Schema Matter Blog

Schlussfolgerung zu Matter

Matter revolutioniert also das Smart Home. Einerseits werden sich die Hersteller auf das Erlebnis ihrer Nutzer konzentrieren können und nicht mehr darauf, ihre Technologie in die Ökosysteme zu integrieren, andererseits werden die Kunden die Möglichkeit haben, Interaktionen, Automatisierungen und Szenarien viel einfacher zu gestalten. Darüber hinaus ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Standard zahlreiche Partnerschaften zwischen Herstellern ermöglicht und so neue Antworten auf aufkommende Bedürfnisse bietet. Es wird also egal sein, ob man Geräte aus dem Apple Homekit, Amazon Alexa oder Echo, Philips Hue oder auch Samsung SmartThings besitzt, die kompatible Technik, die Matter unterstützt, wird diese Systeme für Ihr Smart Home über ein Hub alle miteinander verbinden. Viele Geräte haben bereits ein Update erhalten, sodass sie als Hub für Matter genutzt werden können. Die Unternehmen sind sich also bewusst, wie wichtig es ist, dass ein Gerät kompatibel mit anderen Geräten ist und die verwendeten Protokolle unterstützt. Smarte Technik ist auf dem Vormarsch. Die Zukunft wird mit Matter geschrieben, das vernetzte Haus wird so zu einem wahrhaftigen Smart Home.